Unternehmer des Jahres 2023 - "Ich wollte nicht nur auf dem Bauch liegen und zeichnen"

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Wir sind stolz auf die Auszeichnung zum Unternehmer des Jahres 2023!

 

Rainer Thieken: „Ich wollte nicht nur auf dem Bauch liegen und zeichnen“

 

Dorstens Unternehmer des Jahres 2023 war viele Jahre Freiberufler. Seinen Rückzug aus dem operativen Geschäft hat er von langer Hand geplant. Weil er gelernt hat, abzugeben.

An den Wänden seiner Firmenzentrale in Holsterhausen sind einige herausragende Objekte zu sehen, die Rainer Thieken in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen konzipiert hat. Krankenhaus-Gesellschaften, Unternehmen aus Industrie und Gewerbe, Kommunen, aber auch Landwirte, Privatleute und die Manuel-Neuer-Stiftung zählten zu seinen Kunden.

Zum 19. Mal vergibt die Dorstener Zeitung in diesem Jahr die Auszeichnung „Unternehmer des Jahres“. Im Gemeinschaftshaus Wulfen werden am 3. November mehr als 100 geladene Gäste erwartet. Rainer Thieken hat in der Vergangenheit nur wenige Preisverleihungen verpasst, aber ausgerechnet die seines Freundes Hubert Loick im letzten Jahr. Jetzt wird er dessen Nachfolger.

„Mir ist wirklich alles aus dem Gesicht gefallen, als ich das erfahren habe“, sagt der 61-Jährige. Da erging es ihm nicht anders als seinen Vorgängerinnen und Vorgängern.

Dabei entbehrt die Entscheidung der unabhängigen Jury nicht einer gewissen Logik. Die Thieken Archiktekten + Ingenieure GmbH ist in der Region eine der größten Firmen in dieser Branche. Vor allem im Krankenhaus-Bau hat sich die Gesellschaft bundesweit einen Namen gemacht.

Einen passenderen Zeitpunkt hätte die unabhängige Jury aber auch aus einem anderen Grund kaum finden können. Die Thieken Architekten + Ingenieure GmbH feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen. Ende des Jahres zieht sich der Firmengründer aus dem operativen Geschäft zurück und wird nur noch beratend als Mitglied eines Beirats tätig sein. „Ich habe mir schon mit 45 Jahren Gedanken gemacht, wie es mit meiner Firma eines Tages weitergehen könnte.“ 30 Jahre zuvor, mit 15, hatte Rainer Thieken eine Ausbildung zum Bauzeichner im Büro des in Dorsten sehr bekannten Architekten Manfred Ludes begonnen. Der kleine Junge einer Arbeiterfamilie hatte die Hauptschule („Die hat mich nicht so recht gefordert“) absolviert und „immer schon gerne gehandwerkelt“. Buden hat er gebaut, Hockeyschläger auch und eine alte Schmutzwasser-Pumpe für den kleinen Fischteich umgerüstet.

„Auf dem Bauche sollst du liegen und Striche ziehen Dein Leben lang“ - der alte Bauzeichner-Spruch reichte Rainer Thieken schon im zweiten Lehrjahr nicht mehr. „Damals hatte ich bereits die Vision: Irgendwas musst du noch machen, das kann nicht alles sein.“

 

Studium nach der Lehre macht Sinn

Mathe-Lehrer Nattler hat an der Abendschule das Potenzial des Jungen aus Holsterhausen erkannt und ihm den Spaß am Lernen vermittelt. Also kündigte Rainer Thieken nach dem ersten Gesellenjahr, holte das Abitur nach und studierte Architektur. „Ich konnte dank meiner Ausbildung im Studium sehr gut sondieren, was wichtig für später und was einfach nur singen, tanzen, klatschen ist.“

Doch selbst als Jahrgangsbester musste er 86 Bewerbungen „überall und für alles“ schreiben, um „eine semi-gute Stelle“ zu bekommen, erinnert er sich. Lange blieb Rainer Thieken nicht, denn sein alter Chef Manfred Ludes hatte dann doch die Erkenntnis, ihn gebrauchen zu können.

Der Youngster wurde zügig nach Rheinland-Pfalz geschickt, um den Anbau an ein Krankenhaus zu beaufsichtigen. Für den jungen Architekten war das wegweisend, „weil ich auf mich alleine gestellt war und viel gelernt habe“. Und er kam relativ früh mit dem Krankenhaus-Bau in Kontakt - heute eine Spezialität seines Unternehmens.

 

Freiheit war ihm immer wichtig

Als Ludes Senior in den Ruhestand ging und sich die Führung im Unternehmen veränderte, hatte Rainer Thieken zunehmend das Gefühl, „nicht mehr so frei sein zu können wie ich es als Freiberufler sein müsste, um meine Arbeit so machen zu können, wie ich sie mir vorstelle“. Er übernahm zunächst Anteile des Büros Funke (1993), einem Mitbewerber in Holsterhausen.

2001 verschwand der Name „Funke“ aus der Firmenbezeichnung, 2010 holte er mit Berndfried Lammersmann, Christian Brinkmann und Andreas Müller drei weitere Gesellschafter ins Boot. „Seit dieser Zeit zahlen wir auch Gewerbesteuer. Ich glaube nicht, dass es in Dorsten viele Freiberufler gibt, die diesen Schritt ins ‚echte‘ Unternehmertum gewagt haben.“

Wenn Rainer Thieken von einem Projekt restlos überzeugt ist, steigt er schon mal als Gesellschafter ein - mit allen Risiken, versteht sich. „Dann hat man Vollkaufleute aber schnell überzeugt“, erklärt er augenzwinkernd. Das hat damals beispielsweise dazu geführt, dass bei „Wohnen im Park“ auf dem ehemaligen Kreskenhof-Gelände in Holsterhausen die Schockemöhle-Gruppe als Geldgeber mitmachte. Mittlerweile gibt es eine sehr erfolgreiche gemeinsame Zusammenarbeit mit vielen Projekten in Norddeutschland.

Thieken verhehlt allerdings nichts, dass es in der Vergangenheit mehrfach Situationen gab, in denen es für ihn und die Familie um alles ging. Gemeinsam mit Ehefrau Ursula hat er dann auf Schwarz oder Rot setzen müssen - und neben einem guten Gespür wohl auch etwas Glück gehabt.

 

Einstimmige Entscheidungen

Mit Gründung der GmbH hat Rainer Thieken gelernt, sich mehr denn je zurückzunehmen. Er ist merklich stolz darauf, dass es bislang immer gelungen ist, einstimmige Entscheidungen der Gesellschafter zu erzielen. Die Runde, die jeden Freitag tagt, ist vor vier Jahren um Christopher Naujoks, Tobias Göbel und Thiekens jüngere Tochter Theresa (30) gewachsen. Seit 2018 ist Andreas Müller Mit-Geschäftsführer, und Rainer Thieken hat sein Büro ins Homeoffice verlegt.

Ehefrau Ursula hat viele Jahre die Buchhaltung gemacht, Tochter Franziska (33), eine Medizinerin, steht als externe Beraterin bei Krankenhaus-Projekten zur Verfügung.

„Ich muss alle Abläufe kennen, damit ich die optimale Lösung fürs medizinische Personal, aber auch für die Patienten erarbeiten kann“, sagt ihr Vater.

Es wird also auch in Zukunft noch viel Familie in seinem Unternehmen mit mittlerweile 62 Mitarbeitern stecken. Der Firmengründer selbst will ab Januar nur noch beratend tätig sein, die freie Zeit nutzen, um zu reisen oder mit seiner Frau „einfach mal einkaufen“ zu gehen. Seine ehrenamtliche Arbeit bei den Lions und der Lebenshilfe setzt er natürlich fort, Sachkundiger Bürger für die CDU bleibt das ehemalige Ratsmitglied auch. „Vor allem aber freue ich mich darauf, mehr Zeit für meine drei Enkelkinder zu haben.“

Ihnen wird er eines Tages vielleicht auch von seiner Auszeichnung zum Unternehmer des Jahres 2023 berichten können. Bei der Preisverleihung am 3. November werden die Kleinen wohl nicht dabei sein. „Für sie ist so eine Veranstaltung leider noch nichts“, sagt der stolze Opa.

 

Quelle: Dorstener Zeitung 

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